Tirol

Die gemeinsame Nutzung land- und forstwirtschaftlicher Flächen in Tirol reicht bis ins Mittelalter zurück (van Gils et al. 2014) und steht meist im Zusammenhang mit dem Kollektiveigentum (CO) in Form von Agrargemeinschaften (AG). Nach dem Tiroler Landesverwaltungsgesetz (Flurverfassungsgrundgesetz von 1996) ist eine AG eine zweckgebundene Personengemeinschaft (in der Regel Landwirte), die auf der Grundlage alter Urkunden oder alter Gepflogenheiten bestimmte Liegenschaften gemeinsam verwaltet und nutzt. Die AG ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts (Lang 1991) und gilt somit als juristische Person mit Rechten, Pflichten und Handlungsfähigkeit. Sie kann Verträge abschließen und für kriminelles Verhalten haftbar gemacht werden. Verwaltungssatzungen und Geschäftspläne verpflichten die Mitglieder der landwirtschaftlichen Gemeinden zum nachhaltigen Umgang mit den Ressourcen der Gemeinschaft, zum Beispiel in Form von Regelungen zu Ort und Umfang der Holzgewinnung in der forstwirtschaftlichen Nutzung. Eine angemessene Verwaltung durch mehrere Berechtigte wird durch institutionelle Regelungen sichergestellt (Seher 2007). Nach Seher (2007) sind AG Teil eines gemeinsamen Güterstandes, weil sie die gemeinsame Verantwortung für die Flächen und Ressourcen tragen.

Nach der Art des Gemeinlandes und dem Zweck einer AG ist zwischen (Berg-)Weide- und Wald-AG zu unterscheiden. In größeren Gemeinden gibt es auch Mischformen mit Wald und Ackerland wie Almen und/oder Hausweiden. Grundsätzlich kann die AG unabhängig sein oder durch die Tiroler Landwirtschaftsbehörde reguliert werden. ‚Geregelt‘ bedeutet, dass entschieden wird, welche Liegenschaften und Nutzungsformen zur Verfügung stehen und wie viele Mitglieder sich an einer AG beteiligen. In den 1950er und 1960er Jahren wurde den AG viel Kommunalland übertragen, damit diese das Land treuhänderisch verwalten konnten. In einem Urteil des Verfassungsgerichtshofs aus dem Jahr 1982 wurde diese Praxis bereits als rechtswidrig kritisiert, da die AG durch die Übertragung Eigentümerin der Gemeindegrundstücke geworden wäre und somit auch die daraus resultierenden Einnahmen unter den Mitgliedern aufteilen konnte. Erst durch ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofs im Jahr 2008 waren wieder die Gemeinden und nicht mehr die AG zur Verfügung über das Gemeindevermögen berechtigt. Daher ist in solchen Fällen ein Gemeinschaftseigentum entstanden, das nun in atypischer Weise im gemeinsamen Eigentum der Gemeinde und der Nutzungsberechtigten (Mitglieder) steht und als AG organisiert ist. Im Ergebnis steht der Gemeinde der innere Wert des Gemeinschaftsgutes zu, während die Mitglieder der AG das Nutzungsrecht behalten.

In jüngster Zeit werden daher regulierte AG in typische (mit eigenem Grundbesitz) oder atypische Gemeinschaftseigentums-AG (Gemeindegutsagrargemeinschaft, nur pastorale und forstwirtschaftliche Rechte; sonstige Entnahmerechte und deren Einnahmen liegen bei der Gemeinde) kategorisiert. Die Bundesbehörden kennen nur solche AG. Es gibt keine gemeinsame Datenbank über die Anzahl aller AG in Tirol. Van Gils et al. (2014) beziffern die Zahl der AG mit 2000, die Gesamtzahl ist laut Bundesverwaltung jedoch unbekannt. Putzhuber, ein für die AG in Tirol zuständiges Mitglied der Bundesverwaltung, erwähnt lediglich, dass es 1148 regulierte AG mit 255 typischen und 79 atypischen Gemeinschaftseigentums-AG gibt.


Mit 550 Mitgliedern bildet Kappl-See die größte AG Tirols. Mit 2571 Einwohnern ist Kappl die zweitgrößte Gemeinde im Tiroler Paznauntal im äußersten Westen Tirols. Die Gemeinde liegt im Politischen Bezirk Landeck. See ist das erste Dorf am Eingang des Paznauntals mit knapp 1300 Einwohnern und wurde um 1400 von Bauern aus Serfaus und Fiss (im Inntal) gegründet. Heute leben beide Gemeinden hauptsächlich vom Tourismus und präsentieren sich hier als Alternative zum nahegelegenen Massentourismus in Ischgl. Bereits 1852 wurde das CO zunächst als Forstgemeinde Kappl-See gegründet. Die Waldflächen wurden von den Gemeinden verwaltet.

Im Zuge des Reglements um 1970 wurde die heutige AG gegründet. Bis 2014 waren die Mitglieder für die Bewirtschaftung des Landes verantwortlich. Nach dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs obliegt die Verwaltung des AG-Gebiets wieder der Gemeinde, was die AG Kappl-See zu einer atypischen gemeindeeigenen AG macht.

In erster Linie besitzt die AG große Waldflächen. Daneben gibt es aber auch kleine Flächen in der Nähe des Siedlungsgebietes, was sie für die jeweilige Gemeinde interessant macht. Die Almen gehören nicht dazu, sondern zu anderen, kleinen CO. Andere Einnahmen als Holzverkäufe stammen aus der Verpachtung von Flächen an Skigebiete. In geringem Umfang hält die AG auch Anteile an Seilbahngesellschaften.


Die AG Fügen-Fügenberg liegt im Zillertal, einem südlichen Seitental des Inntals. Fügen gilt als Hauptort des vorderen Zillertals. Das Dorf liegt auf dem breiten Schwemmkegel des Rischbachs und besteht aus mehreren ehemals selbstständigen Ortsteilen und Bauernsiedlungen, die im Laufe der Geschichte zusammengelegt wurden. Die Wirtschaft ist geprägt von Landwirtschaft, Handel, Gewerbe, Industrie und nicht zuletzt vom Tourismus. Der Tourismus profitiert von den beiden Skigebieten Hochfügen-Hochzillertal und Spieljoch. Unternehmen von internationaler Bedeutung sind in der Möbelherstellung und der holzverarbeitenden Industrie angesiedelt.

Die Gemeinde Fügenberg ist flächenmäßig eine der größeren Gemeinden im Zillertal. Sie erstreckt sich oberhalb von Fügen über weite Berghänge und enge Täler der Tuxer Voralpen. Das Gebiet liegt größtenteils an einem Hang. Fügenberg ist wirtschaftlich und kulturell eng mit Fügen verflochten. In beiden Gemeinden zusammen leben rund 5600 Menschen. Die AG Fügen-Fügenberg ist eine der größten CO in Tirol. Sie wurde vor Jahrhunderten gegründet, aber erst 1972 reglementiert und 2008 in eine atypische Gütergemeinschaft AG umgewandelt. 267 Mitglieder haben das Recht, Bau-, Brenn- und Zaunholz zu kaufen. Der Vorsitzende der Landwirtschaftsgemeinde ist nicht mehr so wichtig wie früher. Er hat die Aufgabe, die Holzzuteilung an die Mitglieder und die Kommunikation zwischen den Mitgliedern sowie zwischen den Mitgliedern und den Vermögensverwaltern sicherzustellen. Alle anderen (wirtschaftlichen) Entscheidungen werden von den kommunalen Vermögensverwaltern der beiden Gemeinden getroffen. Nur wenn wichtige Entscheidungen zu treffen sind, entscheiden der Vorsitzende und die weiteren Mitglieder des Gremiums (vier Personen pro Gemeinde) gemeinsam mit den Gemeinden. Einmal im Jahr findet eine Mitgliederversammlung statt, an der alle Mitglieder teilnehmen und über das Kollektivvermögen (Finanzen, Probleme usw.) diskutieren.

Die AG besitzt 2200 Hektar Wald und kleine Almen. Der Waldbesitz der Agrargemeinschaft Fügen-Fügenberg umfasst einen Großteil der Fläche der Katastralgemeinde Fügenberg. Davon sind 80 % Schutzwälder. Daher ist die nachhaltige Bewirtschaftung der Wälder ihr Hauptanliegen. Mit ihren Einnahmen finanziert die AG teilweise den Förster und vier Forstangestellte. Darüber hinaus erhält sie Einnahmen aus Flächen, die von Seilbahnunternehmen angemietet wurden.


Die AG Finkenberg liegt ebenfalls im Zillertal, aber weit südlicher als Fügen-Fügenberg. Der Ort Finkenberg befindet sich etwa drei Kilometer südwestlich von Mayrhofen, am Eingang zum Tuxertal, zwischen den Ausläufern des Penken und des Grinbergs. Finkenberg ist nach Mayrhofen die flächenmäßig zweitgrößte Gemeinde im Zillertal und hat etwa 1400 Einwohner.

Das Gemeindegebiet umfasst mehrere Täler sowie den Schlegeis-Stausee und führt bis zur italienischen Grenze. Es gibt mehrere Kees (Gletscher) in der Gemeinde. Die Gemeinde besteht aus einer Reihe von Weilern und Bauernhöfen, die zusammengehören. Wirtschaftlich ist die Gegend von kleinen Handwerksbetrieben und vor allem vom Tourismus geprägt. Der Weiler Ginzling positioniert sich als Alternative für sanften Tourismus und Bergsteigen. Im Hinterland dominieren die Almwirtschaft und die Energiewirtschaft (Schlegeis-Stausee).

Finkenberg ist eine der vier Gemeinden, auf denen der Naturpark „HochgebirgsNaturpark Zillertaler Alpen“ liegt. Die AG wurde 1980 reglementiert. Im Gegensatz zu Fügen-Fügenberg handelt es sich bei diesem Kollektiveigentum nicht um eine atypische, sondern um eine typische Liegenschafts-AG, bei der die Gemeinde Finkenberg 25 % des Kollektivvermögens besitzt. Die AG hat 61 Mitglieder, von denen die meisten noch (zumindest nebenberuflich) in diesem steilen Berggebiet als Landwirte tätig sind. Insgesamt besitzen sie 873,2 ha Land, davon nur 33 ha aktiv genutztes Weideland. Der Rest ist Wald mit einem Schutzwaldanteil von 90%. Das Waldeigentum der AG Finkenberg befindet sich vollständig in der Katastralgemeinde Finkenberg. Der Vorsitzende entscheidet in den meisten Angelegenheiten selbst. Bei größeren Liegenschaften und Entscheidungen über größere finanzielle Aufwendungen muss jedoch der AG-Ausschuss (drei Mitglieder der AG, die Gemeinde vertreten durch den Bürgermeister, den Förster und den Vorsitzenden) gemeinsam entscheiden. Bei einem Grundstücksverkauf ab 200m² muss ein Hauptversammlungsbeschluss gefasst werden. Die täglichen Entscheidungen hinsichtlich der Waldbewirtschaftung werden vom Waldaufseher getroffen. Wichtigste Einkommensquelle der AG bildet die Verpachtung von Skipisten und Beschneiungsanlagen. Die Holzpreise auf dem europäischen Markt sind niedrig. Da der Aufwand für die Holzernte im steilen Terrain der AG hoch und ein größerer Teil der Ernte wegen der Auswirkungen historischer Nutzungsformen (Streunutzung, Schneiteln) von geringerer Qualität sind, kann die AG ihr Einkommen nicht durch den Holzverkauf allein sicherstellen.